Petra Faryn: Herrlich lakonisch erzählt

Der EchsenmannEin Leichenfund, ein Zeuge und viele ungeklärte Fragen legen die Vermutung nahe, „Der Echsenmann“ sei ein Krimi, in dem der Kommissar den Zeugen für den Täter hält. Der menschengroße Gartenzwerg, eine speerbewaffnete Amazone: Hier deutet alles auf Fantasy hin. Allerdings ist der Protagonist der Fantasy-Story, Espen Askeladden, ein einsamer Mann, der seine verschwundene Frau schmerzlich vermisst und Rat in einer Internet-Therapie sucht. Eine Psycho-Liebesgeschichte also?

Das erste, was an dem neuen Roman des gebürtigen Polen Dariusz Muszer fasziniert: Er lässt sich nicht auf ein Genre festlegen, kunstvoll verwebt er die verschiedenen Elemente. Der Alltag ist im Niemandsland zwischen Lüge, Wahn, Fantasie und Realität angesiedelt. Die „Freizeithure“ Chantal, von der der Protagonist Nähe erkauft, gehört ebenso dazu wie eine Bärin mit grünen Haaren.

Espen hat jeden Halt verloren, seine Persönlichkeit beginnt sich zu lösen. Mimikryhaft gibt er, der Taxifahrer, sich mal als Bulgare, mal als Osteuropäer aus, sein Name ist ein angenommener, und die Geschichten, die er erzählt, variieren erheblich. Aber es geht nicht um Psychoanalyse. Ebenso wenig, wie es um die pure Detektivgeschichte geht. Die Welt des Espen Askeladden ist real, zugleich voller wunderbarer Einfälle – und von Muszer herrlich lakonisch erzählt.

Das Gewicht verschiebt sich immer mehr im Wechsel von erklärbaren Unfällen wie der unwiderbringlichen Enthaarung des Protagonisten und der fantastischen Begegnungen mit dem Mann, der jung und alt gleichzeitig ist. Nicht mehr aus detektivischer Raffinesse entsteht die Spannung, sondern aus der Frage: Wer ist Espen Askeladden, den es ab und zu animalisch in den Wald zieht, wo er sich verwandelt? Espen Askeladden ist der Echsenmann.

Muszers stärkstes Element bleibt die skurrile Fantasie, verbunden mit einer großen Erzählfreude – unbedingt unterhaltsam!

Neue Westfälische, 18. Januar 2002
© Petra Faryn

Dariusz Muszer: Der Echsenmann, Roman. A 1 Verlag, München, 208 Seiten