Dariusz Muszers dystopischer Roman hat mehr mit der Gegenwart zu tun, als es zunächst scheint
Als Folge einer Ökokatastrophe gibt es auf der Erde kaum noch Tiere oder Pflanzen. Ihre angestammten Bewohner nennt man »Aschhäute«. Viele von ihnen sind mittlerweile armselige Kreaturen, die in Massengräbern herumwühlen, in der Hoffnung, zwischen den skelettierten Überresten der Ermordeten noch etwas Brauchbares zu finden. Andere sind intensiv damit beschäftigt, sich gegenseitig umzubringen und anschließend zu verspachteln. Kannibalismus ist in der Gesellschaft, die der polnische Autor Dariusz Muszer, in seinem dystopischen Roman »Schädelfeld« schildert, etwas völlig Normales, ein Menschenleben ist in ihr fast nichts wert. Die wenigen noch übriggebliebenen Angehörigen der Oberschicht sind Gefangene ihrer selbstgebastelten Käfige. In den Reihen der »Askaris« genannten Militärs herrscht Willkür. Menschenfleisch gilt auch bei ihnen als begehrte Delikatesse.
Die Profiteure der barbarischen Zuständen sind interstellare Händler vom Volk der Tukuni. Sie sind darauf spezialisiert, ihre Geschäfte auf Planeten zu machen, deren Gesellschaften durch Umweltkatastrophen und Kriege zerrüttet sind. Einer sagt: »Lieber verkaufe ich eine Maschinenpistole als tausend Kohlrabis. Gewiss, aus einer Maschinenpistole kann man keine schmackhafte Suppe kochen, aber mit einem Gewehr in der Hand kannst du befehlen, dass jemand für dich die Suppe kocht.«
Außer den »Aschhäuten« lebt auf der Erde noch eine zweite Spezies: die vom Mond stammenden »Lunakis«. Sie wurden von ihrem wegen Überhitzung unbewohnbar gewordenen Himmelskörper evakuiert und in bestimmten Regionen der Erde angesiedelt. Obwohl es keine Invasion war und sie mit der irdischen Oberschicht lange Zeit gute Geschäfte gemacht hatten, sind die Klimaflüchtlinge bei den meisten Aschhäuten unwillkommen und werden Opfer von Massenmorden.
So düster das Szenario auch ist, Hoffnung gibt es selbst in dieser Alptraumwelt. Im Verlauf der Handlung begegnen dem Leser immer wieder Figuren, die inmitten des gnadenlosen Überlebenskampfes menschliche Regungen zeigen. Da ist beispielsweise Kalong, der bei einem Einbruch in ein medizinisches Forschungszentrum einen kleinen Jungen befreit. Dieser ist das Resultat eines missglückten Experiments zur Züchtung von sogenannten Joldaten. Als sie eine Frau samt ihrer Tochter aus den Klauen der »Metzger« retten, wächst die kleine Gemeinschaft auf vier Personen an. Gemeinsam fliehen sie vor Hauptmann Triglahn und einem Trupp Askaris.
Muszer brilliert in seinem zweiten phantastischen Roman mit einem Feuerwerk schräger Einfälle. Hinzukommen zutiefst philosophische Fragen, etwa die nach der Möglichkeit, menschlich zu handeln in einer Gesellschaft, die Menschlichkeit nicht zulässt. Oder danach, wie ein Mensch zu einem Massenmörder wird.
Den Grund für den Zusammenbruch der Zivilisation erfährt der Leser am Ende des Buchs. Schuld war ein blauer Drache mit Sternen. Der Drache steht für eine Weltmacht namens »Union«. Und diese Union bestand aus lauter zänkischen Staaten, die ihre Konflikte nicht offen austrugen. Und eine nicht enden wollende Gier nach Sklaven entwickelten, die bereit sein sollten, sich für eine Handvoll Nahrung und einen Becher Wasser zu Tode zu schuften. Kommt das jemandem bekannt vor?