Der polnische Autor Dariusz Muszer lebt seit 1988 in Hannover, das er nun auch in seinem vierten auf Deutsch erschienenen Roman zum Schauplatz des Geschehens macht. Als eine Stadt in ferner Zukunft, in der die Erde eine wüste Schädelstätte ist, auf der ein paar letzte Menschen ums Überleben kämpfen.
Diese Parallel-Erde, von der Dariusz Muszer schreibt, ist einer der unwirtlichsten und – bei den herumdüsenden Bewohnern des Alls – unbeliebtesten Orte im ganzen Multiversum. Bis auf ein paar Ausnahmen hat sich dort die Menschheit selbst ausgerottet. Nur einer kleinen Gruppe von Menschen, grundsätzlich „Aschhäute“ genannt, gelingt die Flucht aus Muszers Parallel-Hannover, der Stadt im Norden, in der überall Leichen und Leichenteile herumliegen. Die Stadt ist eingezäunt mit einem Laserzaun und wird von Wesen bewacht, die es nur auf Fleisch, auf Menschenfleisch (egal ob von Leichen oder lebendigen Exemplaren) abgesehen haben, von „Metzgern“.
Doch auch nach der Flucht gibt es kein Aufatmen. Sie werden zwar nicht gefressen, aber nach der Flucht geschnappt und in ein Lager gesperrt, sie müssen sehr hart arbeiten und kriegen kaum etwas zu essen. Ein großer Krieg hat nicht nur die Städte sondern die gesamte Erde und nahezu alles tierische und pflanzliche Leben zerstört und zwei außerirdische Völker kämpfen jetzt um die Vorherrschaft: Die dreiäugigen „Lunakis, Kinder des Mondes“ und die „Askaris“, Soldaten, die sich mit hydraulichem Schuhwerk hüpfend fortbewegen. Beide gegnerischen Parteien sind ungeheuer gewalttätig, sie gieren wenn nicht nach Menschenfleich – oder Fleisch von „Dazwischenwesen“ – dann nach Menschenknochen. Und die müssen die gefangenen und in Lager internieren Aschhäute, „Buddler“ genannt, ausbuddeln – aus der toten verseuchten Erde auf dem Schädelfeld.
Eher Dystopie als Science Fiction
Muszer erzählt den tristen Überlebenskampf einer kleinen familienähnlichen Gruppe aus der Warte eines unbeteiligten, aber alles beobachtenden und hörenden Außerirdischen – kühl, mit viel Spaß an technischen Details und Foltermethoden, im Ton zuweilen belustigt und augenzwinkernd. Anders als im klassischen Science Fiction Roman ist der Kampf Gut gegen Böse nicht so zentral. Fast alle sind ziemlich verroht und Opfer des Überlebenskampfes, der sie mehr und weniger in die Knie zwingt. Dariusz Muszer ist ein großer Fan von Knut Hamsun. Und wie bei dem norwegischen Literaturnobelpreisträger so steht auch bei Muszer die existenzielle Ausnahmesituation und das, was sie aus Menschen und menschenähnlichen Wesen machen kann, im Zentrum seines Interesses. Sein Roman ist ein Gegenwurf zur „Utopie“ des Thomas Morus: Er entwirft ein höchst düsteres Szenario von der Gesellschaft der künftigen Erdbewohner.
Bayern 2-Diwan, 16. Januar 2016
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© Katrin Hillgruber