Hilde Meier: Globalisierung, Runderneuerung, Nutella

Gottes HomepageGegen Langeweile im Sommer wie im Winter helfen Bücher. Bitterböse Bücher sogar sehr gut. Der Roman „Gottes Homepage“ des polnischen Autors Dariusz Muszer aus dem A1 Verlag in München ist ein Meisterwerk für die Freizeitgestaltung. Die Geschichte über das Informationszeitalter behält uns in der Realität und ist doch Science Fiction genug, um sich im Jahr 2008 intelligent zu gruseln.

Gospodin Gepin und seine Frau Freyja leben glücklich im Zeitalter des Regenbogens. Man schreibt das Jahr des 88.Violetts und die zerstörerischen Kriege um die Luft sind fast vergessen. Die Erde wird nur noch von wenigen echten Menschen bewohnt. Hologramme und Geklonte bevölkern die Welt, denn es gibt keinen Tod mehr. Rauchen ist bei Todesstrafe verboten, so wie Memoiren-Schreiben auf Deutsch. Unmöglich, denn die deutsche Sprache ist ausgestorben.
Gospodin Gepin tut es trotzdem, er will mit stolzen 128 Jahren seine Erinnerungen festhalten. Über Dinge, die er erlebt hat und die niemand wissen will und niemand mehr wissen soll. Zu viele „Runderneuerungen“ hat er hinter sich, lange wird er es nicht mehr machen.

In 224 phantasievollen, schrecklichen Seiten – hinter Kapitelüberschriften wie „Radieschenbilder“, „Gebt mir Nutella“, oder „Ein Spaziergang wird uns gut tun“, wird die Geschichte aufgerollt. Gospodin Gepin’s Selbstbeschreibung lautet: „Ich bin altmodisch wie die Computer der 4.Generation oder eine Einwegflasche.“ Sein aufregendes Leben mit seiner Frau Freya wird mit Humor präsentiert.
Wieder hat ein Pole das Orwell’sche Szenario der bösen Zukunft aufgeschrieben. 1959 in Westpolen geboren, studierte Dariusz Muszer Jura und arbeitete unter anderem als Schlosser, Musiker, Kellner, Taxifahrer, Journalist und Beleuchtungstechniker. Er lebt seit 19 Jahren in Deutschland und schreibt auf Deutsch und Polnisch. Die altmodisch angelegte Realsatire spielt in der Vergangenheit, in der Gegenwart und in der nahen Zukunft gleichzeitig. Zu allen Zeiten ist Dariusz Muszers Roman „Gottes Homepage“ klug, bitterböse und visionär.
Der knappe, erschreckende und sehr unterhaltsame Roman könnte ein Klassiker werden und Dariusz Muszer die Nachfolge des Altmeisters Stanislaw Lem antreten.

Kultura-Extra, 7. August 2008
© Hilde Meier

Dariusz Muszer: Gottes Homepage, Roman. A1 Verlag, München, 219 Seiten