Felix Seidel: Eine moderne Version von Schuld und Sühne

Märchenhafter Dariusz Muszer las aus neuem Roman

 

Der EchsenmannAlles wollte Dariusz Muszer – „Ich möchte euch heute mit meinem Buch bestrafen“ – nicht verraten. Doch wie er seinen neuen Roman „Der Echsenmann“ am Mittwochabend im Weyher Rathaus präsentierte, machte Appetit auf mehr Lesestoff aus seiner Feder.

Selbst von der spärlichen Resonanz ließ sich der polnische Schriftsteller nicht irritieren. Das Auditorium umfasste lediglich acht Personen. Nach einer Begründung für diese schwache Resonanz im Sitzungssaal suchte Organisator und Volkshochschullehrer Peter Bunks: „Das schöne Wetter ist schuld. Ich hätte doch mehr Interesse erwartet.“

Der Autor nahm die Lesung in kleinster Runde auf seine Art gelassen: „Es geht nicht um viele Leute, sondern um die richtigen.“

Dariusz Muszers Mimikry-Roman ist eine rätselhafte Detektivgeschichte von Tarnung, Flucht und Anpassung; eine moderne Version von Schuld und Sühne. Mit einem markanten Grinsen bezeichnet der 1959 geborene Autor sein Werk selbst als „verkehrte Welt, weil alles in Hannover passiert.“ Und tatsächlich tauchte er mit einem leicht polnischen Akzent sofort in das pulsierende Leben der deutschen Großstadt ein.

„Eine Frauenleiche ist in der Stadt gefunden worden.“ So viel zum Inhalt des Einstiegs. Schonungslos und doch behutsam begann der leicht ergraute Schriftsteller mit rosa Hemd und schwarzen T-Shirt zu lesen. „Der einzige Zeuge trägt eine Baseballmütze und kann sich an nichts erinnern, nicht mal an seinen Namen.“

Problemlos nahm Dariusz Muszer die Gestalt seiner norwegischen Romanfigur, Espen Askeladden, an; las schnell und doch bewusst zögerlich. Zum Greifen nah präsentierte er seinen Protagonisten als Taxifahrer, der sich mal als Bulgare und mal als Staatsmann der Walachei ausgab. Andererseits gab der Schriftsteller dem „Echsenmann“ die Gestalt eines märchenhaften Mediums, das stets in andere Welten flüchtet. Die Frage, wer oder was ist Espen Askeladden wirklich, weckte Neugier.

Wer Dariusz Muszer wirklich ist, blieb indes nicht verhüllt. Mit viel schwarzem Humor und einer gewagten Portion Ironie wendet sich der Autor dem Wandel der Gesellschaft hin. „Es gibt weniger schreibende als spargelpflückende Polen“, begründet er seine Tätigkeit als Schriftsteller in Deutschland. Dabei nimmt der Freiheitsliebende kein Blatt vor den Mund, beleidigt gar verschiedene Nationen.

Und doch bietet seine Methode stets die Möglichkeit zu lächeln. „Ich schreibe bitterböse Romane. Aber immer mit Humor. Das ist meine Art mit der Welt umzugehen.“ So klingt ein Satz seiner Romanfigur Espen Askeladden wie die Lebensweisheit des polnischen Schriftstellers: „Das Leben ist wie ein Rosenstrauß. Ohne Kratzer kommt man nicht hindurch.“

Weser Kurier vom 19. September 2003
© Felix Seidel, Weser Kurier
Dariusz Muszer: Der Echsenmann, Roman. A 1 Verlag, München, 208 Seiten