Ulrich Blode: Absurde Existenz

Das Notausgang-Männchen auf dem Titelbild
deutet den Weg: Der Homo Sapiens
hat keinen Platz in der Zukunft.

 

Gottes HomepageIrgendwann in der Zukunft, wenn die Zeit nicht nach Zahlen bemessen wird, lebt der 128 Jahre alte Gospodin Gepin mit seiner Frau Freyja glücklich und zufrieden, denn es ist das Zeitalter des Regenbogens. Im Jahr des 88. Violetts sind Kriege vergessen. Normalsterbliche sind die Ausnahme auf der Erde, die von Hologrammen und Klonen bevölkert ist. Die Letzten haben es nicht leicht, müssen sie doch ab und zu bevölkerungspolitischen Maßnahmen zum Opfer fallen.
Als Gepin beschließt, seine Memoiren zu schreiben, wird er kurzerhand nach Südnorwegen versetzt, seine Wohnung aufgelöst und die Frau hinterhergeschickt. Selbstverständlich soll er auf Deutsch schreiben, damit diese Sprache nicht endgültig ausstirbt. Gepin konfrontiert mit seinen Rückblicken in eine Epoche der Auseinandersetzungen die Offiziellen, die sein Buch drucken, aber vorher gründlich umschreiben.

Bizarre Welt, kosmischer Hauch

Dariusz Muszer erfindet eine bizarre Welt, eine Tragikomödie in der Unerwünschtes aus den Geschichtsbüchern gelöscht wird. Aus der Zukunft betrachtet Muszer die Vergangenheit und sein Rückblick fällt absonderlich aus. Kriege werden wegen der Luft ausgefochten und Außerirdische beschließen die Welt zu übernehmen, weil die Menschen zu laut sind.

Hinzu kommt eine Portion Lokalkolorit, wenn die Ereignisse in der Lüneburger Heide, in polnischen Wäldern und in Hannover stattfinden, schließlich lebt Muszer in der Leine-Stadt. In Kleingartenkolonien bildet er Gepin zum Widerstandskämpfer aus und zieht durch das offene Europa neue Grenzen. Krieg wird als Ausdruck kleinlicher Gefühle entlarvt, Helden sind nichts anderes als Egomanen und die Menschen, die nur überleben wollen und für andere einstehen, sind die Glücklosesten unter allen. Ein kosmischer Hauch durchweht den Roman, wenn Muszer seine Figur Gepin als Nachkommen gestrandeter Außerirdischer, den Kalmücken, beschreibt und es eine universale, alles wissende Internetseite gibt, die der Propagandamaschinerie dient. Längst ist nicht mehr festzustellen, was Realität oder Erfundenes ist. Dariusz Muszer fabuliert auf das Heftigste und verdeutlicht mit seiner Komik die Absurdität der menschlichen Existenz.

Das Notausgang-Männchen auf dem Titelbild deutet den Weg: Der Homo Sapiens hat keinen Platz in der Zukunft. Kurios geht es in dieser Welt zu, mit seinem schwachen Gehirn versteht der Mensch nur noch seine Grundbedürfnisse, aber nicht mehr, was um ihn herum geschieht. Die meisten Probleme hat der Mensch mit sich selbst, er verkompliziert die Dinge über alle Maßen.

Titel-Magazin, 10.06.2007
© Ulrich Blode

Dariusz Muszer: Gottes Homepage, Roman. A1 Verlag, München, 219 Seiten