Bea Lederer: Literarischer Narr und Grenzgänger

Dariusz Muszer liest aus „Gottes Homepage“

 

Gottes HomepageEr schaut nach oben. Doppeldeutig. Als ob Dariusz Muszer die Frage, wann er auf Deutsch, wann auf Polnisch schreibe, milde belächelte, zugleich aber an eine höhere Instanz verweisen wollte. Zwischen Ernst und Ironie laviert der zweisprachige Autor. Aber er ist auch Grenzgänger zwischen Gegenwart und Zukunft, zwischen Wahrheit und Fiktion. Eben dort sind seine Romane „Gottes Homepage“ und „Die Freiheit riecht nach Vanille“ angesiedelt. Am Mittwochabend hat er sie auf Einladung von Passauer Pegasus und Prof. Dr. Dirk Uffelmann im Scharfrichterhaus vorgestellt.

„Verwirrend“ ist „Gottes Homepage“ selbst für Muszer. Aus der Zukunft beschreibt er eine gar nicht schöne neue Welt: In ihr leben neben geklonten nur noch wenige normale Menschen. Der Held Gospodin Gepin gehört zu dieser Minderheit. Doch nicht nur deshalb ist er eine Ausnahme, auch nicht allein wegen seines Zugriffs auf Gottes Homepage. Vielmehr kann sich Gepin, kurz vor der vierten Rundumerneuerung, noch an seine Vergangenheit erinnern und will diese zu Papier bringen. Doch dazu bedarf es des Placets der Zentralkulturbehörde. Sie zwingt Gepin, auf Deutsch zu schreiben. Der Sprache von Gebrauchsanweisungen. Nahezu ausgestorben.

Vor diese düstere sprachliche Aussicht gestellt, lauscht man Muszers unvoreingenommenem, schöpferischem Umgang mit dem Deutschen umso lieber. Dem trockenen Humor, der aus der grotesken Negativutopie herausragt. Die Dramatik in Muszers Stimme trägt ihr Übriges dazu bei, dass die Grimmigkeit dieser neuen Welt, die Naivität des Helden, spürbar werden.

Doch man spürt noch etwas anderes: „Gottes Homepage“ ist Muszer wichtig. Auch wenn er privat daran glauben mag, dass die Menschheit „immer besser, immer moralischer“ wird, weiß der gebürtige Pole: „Die Menschen brauchen einen Ermahner.“ Darin sieht er die Aufgabe von Literatur. Ihr fühlt er sich verpflichtet. Zu ihr kehrt er deshalb trotz zahlreicher Berufe immer wieder zurück.

Unverzichtbar. Das ist für Muszer das Schreiben. Aber das sind auch die Rufe dieses literarischen Narren, der seine Warnungen so humorvoll zu verpacken versteht. Mal auf Polnisch. Diesmal auf Deutsch. Schließlich wird eine entpersonalisierte Zukunft in Polen erst in 80 Jahren ein Thema.

Passauer Neue Presse vom 07.11.2008
© Bea Lederer

Dariusz Muszer: Gottes Homepage, Roman. A1 Verlag, München, 219 Seiten